Liebe Freunde der Paulusgemeinde,
es gibt Momente im Leben, in denen wir uns fragen: Wo ist Gott? Wenn Ungerechtigkeit, Leid und Schmerz uns überwältigen, scheint Gott manchmal fern zu sein. Wir beten, wir rufen – und trotzdem bleibt die Antwort aus. Ist Gott nur in den guten Zeiten bei uns und zieht sich in den schweren Momenten zurück? Jeremia 23,23 erinnert uns daran, dass Gott beides ist: Er ist ein Gott, der uns nahe ist, aber auch ein Gott, der uns fern scheint.
Diese Spannung zwischen Nähe und Ferne kann uns herausfordern. Sie wirft die Frage auf, warum Gott Leid und Unrecht zulässt, warum er nicht immer so eingreift, wie wir es uns wünschen. Gerade dann, wenn wir uns nach seiner Nähe sehnen, erleben wir oft das Gefühl, dass er uns nicht hört. Doch vielleicht liegt darin eine wichtige Wahrheit über Gottes Wesen.
Martin Luther hat in diesem Zusammenhang von zwei Arten gesprochen, wie wir Gott begegnen: als "deus revelatus", also dem offenbarte Gott, und als "deus absconditus", dem verborgene Gott. Der offenbarte Gott zeigt sich in Jesus Christus, in der Bibel, im Gebet. Er ist da, er liebt uns, er tröstet und stärkt uns. Doch manchmal begegnen wir auch dem verborgenen Gott. Das ist der Gott, der nicht unseren Vorstellungen entspricht, der nicht einfach in unser Schema passt und den wir nicht immer verstehen.
Aber gerade diese Unbegreiflichkeit gehört zu Gottes Größe. Er übersteigt unser Denken, unsere Pläne, unsere Wünsche. Er ist nicht berechenbar oder manipulierbar – und das ist gut so. Denn ein Gott, der sich uns immer nur in der von uns gewünschten Weise zeigt, wäre nicht der Schöpfer des Himmels und der Erde, sondern eher eine Projektion unserer eigenen Bedürfnisse.
Gott handelt anders, als wir es erwarten – oft zum Besseren, auch wenn wir es nicht sofort erkennen. Es ist manchmal schwer, das zu akzeptieren. Doch genau darin liegt eine Hoffnung: Wenn Gott uns überragt, dann ist er auch größer als unser Leid, größer als die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Seine Ferne bedeutet nicht Abwesenheit, sondern verweist auf sein souveränes, uns übersteigendes Wirken.
Glauben heißt in solchen Situationen, zu vertrauen, dass Gott nahe ist - selbst wenn er uns fern scheint. Seine Gedanken sind höher als unsere Gedanken, seine Wege anders als unsere Wege – aber er bleibt der Gott, der uns liebt und uns in seiner Gnade trägt.
Mit herzlichen Segensgrüßen,
Pfarrer Stefan Hradetzky
Email: stefan.hradetzky@elkb.de |
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