Rückschau Gemeindeseminar „Vitale Gemeinde entwickeln“

Foto: IzabelaHabur©istockphoto.com
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Im Februar 2015 hat sich der Kirchenvorstand zusammen mit interessierten Gemeindegliedern im Rahmen eines Wochenendseminars mit der Frage beschäftigt: Wie können wir unsere Gemeinde gestalten, um sie nachhaltig und gesund weiter zu entwickeln, ohne uns zu überfordern?

Dazu hat uns Diakon Friedrich Rößner vom Amt für Gemeindedienst aus Nürnberg wertvolle Impulse gegeben. In einer Situation allgemeinen kirchlichen Niedergangs fallen in der anglikanischen Kirche einige Gemeinden auf, die gegen den Trend besonders erfolgreich sind. Was ist ihr Geheimnis?

Gemeindeaufbauexperten machten sich daran, das Phänomen zu untersuchen. Ergebnis: Es gibt keine Zauberformel, aber es gibt sieben gemeinsame Themen, sieben charakteristische Felder von Einstellungen, Haltungen, Werten und Kennzeichen, die das Leben dieser Gemeinden prägen – und die ihrerseits das Leben und die Art Jesu kennzeichnen, die sieben „Merkmale der Kirche“:

Merkmal 1: Wir beziehen Kraft und Orientierung aus dem Glauben an Jesus Christus statt die Dinge nur am Laufen zu halten und irgendwie zu überleben.
Im Herzen dieser Gemeinden und ihrer Mitglieder ist man sich der Gegenwart, Güte und Liebe Gottes bewusst. Das Verbundensein mit Gott ist der Treibstoff, mit dem sich diese Gemeinden mutig fortbewegen.

Merkmal 2: Wir richten den Blick nach außen statt uns nur mit uns selbst zu beschäftigen.
Gesunde Gemeinden haben die Fähigkeit, das Leben zu genießen und das Leid und das Ringen der Welt um sie herum mit zu empfinden. Sie interessieren sich in praktischer Fürsorge für das örtliche Umfeld, das Ganze des Lebens und die Welt.

Merkmal 3: Wir finden heraus, was Gott heute will. Wir können es nicht jedem Recht machen, aber uns vom Heiligen Geist leiten lassen.
Es geht nicht um menschlichen Aktionismus, sondern darum, im Gebet auf Gott zu hören und sich von ihm führen und leiten zu lassen.

Merkmal 4: Wir wagen Neues und wollen wachsen statt Veränderung oder Misserfolg zu fürchten.
Einzelne Menschen und Gruppen stehen immer wieder vor schwierigen Entscheidungen und Umständen, die sie auf die Probe stellen. Diese Gemeinden bewiesen den Mut, harten und schmerzhaften Wahrheiten ins Gesicht zu sehen und für echte, oft kostspielige Veränderungen bereit zu sein.

Merkmal 5: Wir handeln als Gemeinschaft statt bloß als Club oder religiöser Verein zu funktionieren.
Es war nicht nur der Glaube an Gott, der diese Gemeinden trägt, sondern die Realität und Kraft von herzlichen und ehrlichen Beziehungen. Diese Beziehungen machten die Gemeinde zur ‚Familie’ für alle, die daran teilhaben und lockten zugleich die Einzelnen mit ihren Begabungen aus der Reserve.

Merkmal 6: Wir schaffen Raum für alle. Wir wollen inklusiv statt exklusiv handeln.
Obwohl sie das sehr schätzten, was sie haben – nicht zuletzt in ihrer gegenseitigen Unterstützung –, fanden diese Gemeinden Wege, andere nicht nur im Gottesdienst willkommen zu heißen, sondern zum Teil des Gemeindelebens zu machen. Das ganze Leben dieser Gemeinden ist von Großzügigkeit geprägt.

Merkmal 7: Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Wir wollen lieber Weniges gut tun als uns im Aktionismus zu verlieren.
Eines der überraschendsten Merkmale dieser Gemeinden ist ihr unaufgeregtes, zielgerichtetes Leben und Handeln. Es erwächst aus der Grundhaltung, auf Gottes Ruf antworten zu wollen. Gemeinden mit dieser Haltung hetzten nicht wie verrückt herum, sondern hatten Freude an dem, was sie tun, und erfuhren die positiven Ergebnisse ihrer qualitativ guten Arbeit.

Nähere Informationen zum Konzept finden Sie hier: www.vitalegemeinde.de/

Die Seminarteilnehmer bewerteten die Verwirklichung dieser Merkmale in unserer Gemeinde wie folgt (Je höher der Punktwert, desto besser die Umsetzung):

  • Wir beziehen Kraft und Orientierung aus dem Glauben an Jesus Christus: 54
  • Wir richten den Blick nach außen: 46
  • Wir finden heraus, was Gott heute will: 55
  • Wir wagen Neues und wollen wachsen: 50
  • Wir handeln als Gemeinschaft: 48
  • Wir schaffen Raum für alle: 48
  • Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche: 50

Insgesamt stellten wir fest, dass unsere Gemeinde ziemlich „vital“ ist und wir uns auf einem hohen Niveau bewegen. Das entspricht unserer Wahrnehmung, dass wir derzeit einen deutlich sichtbaren Aufbruch erfahren, der unsere Gemeinde stärkt und neu belebt.

Sehr Hilfreich war der Hinweis des Referenten auf das Organisationsentwicklungsmodell des Amerikaners Martin F. Saarinen. In seiner Studie „The Life Cycle of a Congregation“ (1986) untersuchte er in Amerika die Entwicklung von Methodistengemeinden. Er fand heraus, dass in der aufstrebenden Gründungsphase die Vision der Gemeinde das tragende Element ist. Zunehmend kommen die Elemente Gemeinschaft, Organisation und Programm hinzu. In der Hochphase der Gemeinde spielen diese vier Elemente in harmonischer Ausgewogenheit zusammen. Überlässt man das System sich selbst, tritt die ursprüngliche Vision allmählich in den Hintergrund, während die Zeit der Jubiläen und „grauen Eminenzen“ anbricht (Reife- und Aristokratiephase). Mit fortschreitendem Niedergang schwindet das Programm, übrig bleibt Bürokratie, bis schließlich der Tod der Gemeinde folgt – wenn nicht erneut die Elemente Vision, Gemeinschaft und Programm wirksam in den Blick genommen werden.

Das Modell half uns zu verstehen, dass sich die verschiedenen Teile, Gruppen und Menschen unserer Gemeinde subjektiv in verschiedenen Stadien dieses Lebenszyklus befinden. Während ein Teil bereits den neuen Aufbruch miterlebt, befinden sich andere möglicherweise in der Reife- und Altersphase. Das Bild von der Gemeinde als Leib Christi, dessen Teile einander brauchen, hilft uns, Altes und Neues als wichtige Teile des Ganzen zu sehen (1. Korinter 12). In diesem Miteinander hat alles seine Berechtigung, was am Leib angeschlossen ist. Jesus Christus ist die verbindende Mitte.

In einem weiteren Schritt sammelten wir Ideen, die für die weitere Entwicklung hilfreich sein könnten. Dazu legten wir drei Themenbereiche fest:
1. Altes und Neues – wie kann es zusammen wachsen?
2. Wie können wir möglichst alle Generationen erreichen?
3. Wie können wir Menschsein und Glauben besser miteinander verbinden?

Aus der Vielzahl der Ideen kristallisierten sich nach einer Gebetszeit, in der wir Gott um Führung baten, u.a. folgende Handlungsmöglichkeiten heraus:

  • Gründung eines Kindergottesdienst-Teams (inzwischen umgesetzt)
  • Auf Kindergarten-Familien verstärkt zugehen (Umsetzung hat begonnen)
  • Verlegung der Gottesdienstzeit von 9.30 Uhr auf 10 Uhr (derzeit noch nicht möglich)
  • Fortführung des Alphakurses, Menschen vom Rand der Gemeinde dazu einladen (läuft)
  • Herzlicher Begrüßungsdienst an der Kirchentüre (läuft gelegentlich)
  • Weiterentwicklung einer Willkommenskultur (in Planung: Liturgie-Flyer)
  • Vergrößerung des Besuchsdienstkreises (läuft)
  • Ausweitung der Seelsorgeangebote (evtl. Gesprächs- und Segnungsmöglichkeit nach dem Gottesdienst)
  • Jährlicher Mitarbeiterempfang für alle Mitarbeiter gemeinsam (inzwischen umgesetzt)