Jesus spricht: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?
Matthäus 16,26
Risiko gehört zum Leben. Allerdings fällt es uns nicht immer leicht, Risiken zutreffend abzuschätzen. Je nachdem, was auf dem Spiel steht, lassen wir uns von unseren Erwartungen täuschen und gehen entweder zu viel oder wenig Risiko ein.
Vor 14 Tagen starb Formel-2-Pilot Anthoine Hubert nach einem tragischen Unfall im Alter von nur 22 Jahren. Beim Rennen in Spa war er in einer Kurve in eine Begrenzung gekracht. Anschließend wurde sein Wagen zurück auf die Strecke geschleudert, wo der 20 Jahre alte Juan Manuel Correa mit voller Wucht in den querstehenden Wagen hineinkrachte. Er kam schwer verletzt in eine Klinik.
Beide jungen Männer waren Profis, gut vorbereitet, kannten das Risiko und hatten sich bewusst dafür entschieden, es einzugehen. Wie viel Risiko ist vertretbar, ab wann wird es zu viel?
2013 erlitt der Formel-1-Fahrer Michael Schuhmacher einen Skiunfall und befindet sich seitdem in medizinischer Rehabilitation. Er war gut trainiert, fuhr nicht mit übermäßiger Geschwindigkeit und trug einen Helm. Unzählige Autorennen hat er in seinem Leben überstanden. Sein Skiunfall hätte jedem passieren können, der gelegentlich zum Skifahren geht.
So what? Ist es also letztlich egal, wie viel Risiko wir eingehen, weil wir es am Ende doch nicht in der Hand haben? Oder sollte man umgekehrt jedes Risiko ausschließen, indem man jegliche Gefahr meidet? Ich denke, beides sind falsche Alternativen.
Jesus spricht: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?
Matthäus 16,26
Jesus rät, Risiken bewusst abzuwägen. Wir können uns fragen: In welchen Lebensbereichen gehe ich bewusst Risiken ein? Was treibt mich an, etwas zu riskieren?
Ist es tatsächlich gerechtfertigt, dass ich Gesundheit, Leben, Ehe, Familie, meine finanzielle Sicherheit oder etwas anderes Kostbares riskiere? Wie wirkt sich das Risiko auf mein Innenleben aus? Wieviel Stress, Anspannung, seelischer Belastung setze ich mich dadurch aus? Ist es das wirklich wert?
Jesus rät nicht, pauschal jedes Risiko zu vermeiden. Er differenziert zwischen „die ganze Welt gewinnen“ und „Schaden an seiner Seele zu nehmen“. Die Bibel bejaht ausdrücklich Mut, Erfolg, Reichtum und Leistung. Aber wir sollen den Bogen nicht überspannen, indem wir die ganze Welt gewinnen wollen. Zu hohe Ziele, zu großes Risiko schadet uns letztlich mehr als es nutzt.
Jesus schätzt immaterielle Werte wichtiger ein als äußerlich sichtbaren Erfolg. Liest man den Vers im Zusammenhang, ergibt sich ein weiterer Aspekt:
Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
Matthäus 16, 24-26
Den Durst unserer Seele kann letztlich kann kein Erfolg, kein Nervenkitzel, kein Geld der Welt wirklich stillen. Man kann der reichste Mensch der Welt sein und trotzdem unglücklich sein. Jesus deutet an: Innerer Frieden im Hier und Jetzt und ewiges Leben kommen aus einer lebendigen Gottesbeziehung – nicht von einem gut gefüllten Rücklagenkonto.
Um diesen inneren Frieden zu bekommen, müssen wir ein Risiko eingehen: Jesus nachfolgen. Das bedeutet praktisch: Anzuerkennen, dass es in unserem Leben keine letzten Sicherheiten gibt und auf Jesus zu vertrauen, dass er uns hält, im Leben und im Tod. Dass wir dazu „unser eigenes Leben verlieren müssen“ wie Jesus sagt, bedeutet nicht, dass wir asketisch und weltfremd leben sollen. Es bedeutet, dass wir uns eingestehen, dass wir nicht allein dadurch glücklich werden, indem wir nur für unsere eigenen, manchmal vielleicht auch egoistischen Ziele leben und arbeiten.
Jesus ermutigt uns, das Risiko einzugehen und alles auf eine Karte zu setzen: Bewusst mit Gott zu leben. Das ist nichts für Weicheier. Es ist ein echtes Abenteuer, das mit Wagnissen und Risiken verbunden. Aber ich möchte es nicht mehr missen. Es hat sich gelohnt, mein Leben auf diese Karte zu setzen.
Pfarrer Stefan Hradetzky